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Interview mit Sylvia Kuria, Kenia: „Biologische Lebensmittel sind eine Quelle der Gesundheit"  

Kenia ist ein dicht bevölkertes Land mit mittlerweile über 50 Millionen Einwohnern. Die sehr schnell wachsende Bevölkerung kann im Jahr 2055 mehr als 100 Millionen Menschen erreichen (Quelle 1*). Über 50 % der Kenianer sind Bauern. Aber nur ein Fünftel des Landes kann für die Landwirtschaft genutzt werden.



Sylvia, wie denkst Du über die Ernährungssicherheit in Deinem Land?


Wir haben in der Vergangenheit einige schwere Krisen erlebt – die letzte große Hungerkatastrophe war 2011. Heute wird der nationale Ernährungsstandard immer besser. Aber jetzt hat Kenia, wie viele andere Länder auf der ganzen Welt, ein anderes Problem im Zusammenhang mit Lebensmitteln. Auf der einen Seite leidet ein Teil unserer Bevölkerung immer noch an Unterernährung, auf der anderen Seite finden wir die Hälfte unserer Bevölkerung, die – vornehmlich in den großen Städten – mit Übergewicht, Fettleibigkeit und Diabetes kämpft. Das liegt daran, dass die Menschen zu viel ungesundes Essen und Fast Food konsumieren. Es wird mit viel zu viel Zucker-, Salz- und Fettzusatz verarbeitet. Schlimmer noch, Allergien, Asthma und Krebs sind Experten zufolge zum Beispiel mit falscher Ernährung verbunden.


Studien bestätigen, dass hoch verarbeitete Lebensmittel nicht der richtige Weg sind, um gesund zu leben. Sind sich die Menschen heute bewusster über eine gesunde Ernährung? Gibt es einen Unterschied zwischen Stadt und Land?


Es ist richtig, dass ein Teil der Menschen dank Informationen aus dem Internet und den Medien in den letzten Jahren mehr über gesunde Lebensmittel erfahren hat. Auch die Bildung spielt eine wichtige Rolle. In den letzten zehn Jahren in denen ich mich mit dem Gemüseanbau beschäftige, habe ich viel gelernt, auch viele Fakten über die schlechten Auswirkungen von Chemikalien und Pestiziden auf unseren Boden und unsere Lebensmittel. Das hat mich stark von den Vorteilen des ökologischen Landbaus überzeugt und ich glaube daran, dass dies der beste und einzige Weg ist meine Familie gesund zu ernähren. Es ist nicht einfach als Bio-Bäuerin zu arbeiten, aber ich hatte das Glück am Anfang Hilfe von der kenianischen Bio-Organisation KOAN (Kenia Organic Agriculture Network) zu bekommen. Später konnte ich dann mein Wissen weitergeben, Schulungen durchführen und einige andere Kleinbauern überzeugen. Außerdem hatte ich die Gelegenheit einige Interviews zu geben, um das Wissen über den ökologischen Landbau und eine gesunde Ernährung zu verbreiten.


Sylvias farm in Kenia


Du hast viele Aktivitäten gestartet, um andere Bauern davon zu überzeugen, ökologisch zu produzieren und ihre Familien biologisch zu versorgen. Wie erklärst du die Vorteile des ökologischen Landbaus und von Bio-Lebensmitteln?


Langsam aber sicher sind sich immer mehr Menschen bewusst, dass ihre Ernährung ungesund ist und außerdem auch schlecht für die Umwelt. Nur Monokulturen von Mais und Bohnen anzubauen kann nicht gut für den Boden und den Betrieb sein. Denn man ist abhängig von den großen Saatgutfirmen, man behandelt seinen Boden schlecht und wir verlieren unsere Biodiversität. Es ist so viel nachhaltiger eine gute Mischung aus Gemüse wie Karotten, Grünkohl, Spinat, Kräutern und anderem anzubauen. Diese Argumente, zusammen mit der Erfahrung, dass die Produkte schmackhafter sind, können die Menschen überzeugen. Meine Kunden, die bei mir Gemüse kaufen, fragen mich oft, warum das Gemüse so süß und aromatisch ist, und ich kann sagen.... „Weil ich es im Einklang mit der Natur und biologisch angebaut habe.“ Es ist noch viel zu tun und wir müssen den Menschen noch viel erklären. Anfang November habe ich zusammen mit anderen ein Geschäft in Nairobi eröffnet. „Sylvia‘s Basket“ soll unser Bio-Gemüse und andere Bio-Produkte in die Stadt bringen, wo das Bewusstsein und die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln wächst.


Sylvias Basket: Das Geschäft in Nairobi


Was war Deine Motivation und Mission Bio-Bäuerin und Gründerin von „Sylvia‘s Basket“ zu werden?


Als Kind habe ich viel Zeit auf dem Hof meiner Großeltern verbracht und war in den Schulferien immer gerne dort. Um ehrlich zu sein war es ein Traum, Bäuerin zu werden. Als unsere junge Familie wuchs, zogen wir von Nairobi nach Limuru auf das Land. Ein kleiner Gemüsegarten war eines der ersten Dinge, die ich dort begann. Am Anfang war es sehr schwierig, aber ich war hartnäckig. Mit wachsender Erfahrung, der Unterstützung eines Bio-Vereins und der vollständigen Umstellung auf biologische Methoden war ich dann erfolgreich und konnte viele gesunde Lebensmittel produzieren. Das Ernten von Bio-Gemüse und Obst für meine Familie – meine Kinder sind jetzt 10, 8 und 7 Jahre alt – aber auch das Teilen mit Freunden und Nachbarn war eine Bestätigung und ermutigte mich weiterzumachen und zu expandieren. Aufgrund meiner Mission, gesunde Lebensmittel für mehr Menschen verfügbar und erschwinglich zu machen, habe ich „Sylvia‘s Basket“ gegründet, wo man Bio-Gemüse und -Obst online bestellen kann. Das wurde ein Erfolg.



Große Auswahl: Die Gemüsekiste für den Endkunden


Glaubst Du, dass Bio-Lebensmittel das Niveau der Gesundheit und Ernährungssicherheit in Kenia und auf der ganzen Welt erhöhen können?


Ich bin sicher, dass gute, gesunde Lebensmittel und die Gesundheit der Menschen eng miteinander verbunden sind. Der biologische Landbau hat sich als der beste und nachhaltigste Weg erwiesen. Je mehr Landwirte in der ökologischen Landwirtschaft arbeiten, keine Pestizide spritzen, sondern den Boden heilen, desto mehr gute Lebensmittel stehen zur Verfügung und können die Gesundheit der Menschen fördern. Vor allem Eltern müssen anfangen, ihre Kinder gesund zu ernähren. Wenn wir auf hoch verarbeitete und raffinierte Lebensmittel verzichten, können wir unsere Ernährungsweise verbessern und unseren Körper wieder ins Gleichgewicht bringen. Von gesunden Böden bekommen wir nicht nur besseres Gemüse, sondern gesunde humusreiche Böden sind auch widerstandsfähiger gegen Trockenheit und können dazu beitragen CO2 zu reduzieren und damit den Klimawandel einzudämmen. Das bedeutet, dass mehr ökologischer Landbau auf der ganzen Welt ein großer Vorteil für die Menschheit und unseren Planeten ist. Mein Rat ist, klein und vor Ort anzufangen und Deine Nachbarn zu überzeugen. Kleine Cluster von 200 bis 300 Bio-Hausgärten auf dem Land könnten so vieles verändern! In Kenia haben wir begonnen uns zu wandeln, es gibt eine ziemlich gute Bio-Bewegung. Aber mehr Bildung und Trainings sind notwendig, um noch viel mehr Kleinbauern für die Bio-Bewegung zu gewinnen. Es gibt viel Potenzial, die Bauern sind offen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass Bio helfen kann die Welt in einen besseren Ort zu verwandeln.


Auch Cerealien und Hülsenfrüchte sowie Eier bietet Sylvia für eine abwechslungsreiche Ernährung an.


Das Interview führte Karin Heinze, BiO Reporterin International.


Hintergrundinfos

Nach Zeiten des Hungers und der Unterernährung aufgrund von Dürre und anderen Gründen kämpft Kenias rasch wachsende Bevölkerung heute mit vielen gesundheitlichen Problemen durch falsche Ernährung. In den Großstädten beispielsweise sind immer mehr Menschen durch hochraffinierte Lebensmittel übergewichtig. Zugesetzte Zucker, Salze und Fette wirken sich negativ aus. Fehlernährung ist ein Problem der Volksgesundheit in Kenia – so das Ergebnis einer Studie der kenianischen Pädiatrischen Organisation aus dem Jahr 2017.



Die junge kenianische Bio-Unternehmerin Sylvia Kuria ist eine Vorkämpferin für gesunde Ernährung. Sie ist in Nairobi geboren und aufgewachsen. Nach dem Studium und einigen Jahren als Capacity Development Officer zog sie mit ihrer jungen Familie von der Hauptstadt aufs Land. In der Nähe der Stadt Limuru in Zentralkenia, nur 50 Kilometer nordwestlich von Nairobi, begann sie mit einem Gemüsegarten, um immer frische und gesunde Lebensmittel für ihre Familie zu haben. In der Anfangsphase machten ihr Schädlinge Kummer. Man riet ihr, Pestizide zu sprühen. Doch Sylvia hatte kein gutes Gefühl und war nicht zufrieden mit diesem Rat. Sie machte sich daran, nach einer gesünderen, nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Methode zu suchen. Bei ihren Recherchen kam sie mit den Ideen des ökologischen Landbaus in Berührung. Erfreulicherweise bekam sie zudem Unterstützung durch KOAN, dem Kenianischen Netzwerk für biologischen Landbau. Sylvia arbeitet hart daran gesunde Lebensmittel für ihre Familie zu erzeugen und auch möglichst viele Bio-Lebensmittel an andere zu liefern. Zuerst teilte sie ihre Ernte mit Freunden und in der Nachbarschaft. Später entwickelte sie „Sylvia‘s Basket“, ihr eigenes Unternehmen mit Bio-Abokisten. Im Gegensatz zu vielen anderen entschied sie sich für den biologischen Anbau, weil sie überzeugt ist, dass der biologische Landbau der einzige Weg ist die Welt nachhaltig und gesund zu ernähren.



Vita

Sylvia Kuria wurde im Januar 1981 in Nairobi geboren und wuchs in der Hauptstadt Kenias auf.

Sie studierte und hat einen Bachelor in Capacity Development und arbeitete bei Christoffel Blindenmission.

Mit ihrem Mann und ihren Kindern zog sie nach Limuru, 50 km nordwestlich von Nairobi und startete dort 2009 ihren ersten Gemüsegarten.

Sie beschäftigte sich intensiv damit, Pflanzenkrankheiten und Schädlinge ökologisch zu behandeln, ohne chemische Spritzmittel.

Sie lernte den biologischen Landbau mit Hilfe von KOAN, Kenyan Organic Agriculture Network.

Im Jahr 2013 gründete sie „Sylvia‘s Basket”.

Sie betreibt ökologischen Anbau auf 6 Hektar Land, wo sie eine große Vielfalt von rund 20 Pflanzenarten anbaut.

Ihre Idee: frische Bio-Produkte verfügbar und erschwinglich zu machen.

Im November 2019 gründete sie den Bioladen „Sylvia‘s Basket“ in Nairobi.

Sie ist Mitglied der IFOAM Organics International.

Mehr Informationen zu „Sylvia‘s Basket“: http://sylviasbasket.co.ke




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