Shaping Transformation. Stronger. Together. Das Schwerpunktthema der BIOFACH/ VIVANESS 2021 eSPECIAL fokussiert darauf wie verschiedene sozial-ökologische Bewegungen, in Zusammenarbeit mit der der Bio-Branche eine Öko-Wende schaffen und die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele beschleunigen können. In diesem Interview mit dem Gründer uns Präsidenten der Nepal Permaculture Group (NPG), Dr. Prem Bahadur Thapa, ließ er uns an seinen Erkenntnissen der Arbeit und den Erfolgen von NPG teilhaben. Karin Heinze, BiO Reporter International sprach im Auftrag der Biofach mit ihm per Videoschalte über die Mission, die Ziele und die Herausforderungen des Transformationsprozesses. Alle Interviews fünf finden Sie auch im BIOFACH Newsroom.
Dr. Prem Thapa (mit Blumenkette): Der Kontakt mit den lokalen Kleinbauern und auch mit der jungen Generation ist sehr wichtig. Nepal unternimmt seit drei Jahrzehnten einen langsamen Wandel hin zu Bio-Landwirtschaft und einer nachhaltigen Gesellschaft. Der Prozess wird maßgeblich von NPG (Nepal Permaculture Group) und seinem Team gefördert und unterstützt. Photo @P.Thapa.
Die Permaculture Group (Permakultur Gruppe, NPG) wurde 1992 gegründet. Was waren die Motivation und die treibenden Kräfte?
Dr. Prem Thapa: Als Bauernsohn, der in einem kleinen Dorf geboren wurde, hatte ich einige Grundkenntnisse und Interesse an traditioneller Landwirtschaft und der Mobilisierung lokaler Ressourcen. Nach dem Abschluss meines Landwirtschaftsstudiums begann ich mit Anfang 20 einen Job bei der nepalesischen Regierung als Landwirtschaftsbeauftragter. Es war meine Aufgabe, Bauern, die meist viel erfahrener waren als ich, in der Arbeit auf den Feldern zu unterrichten. Zu dieser Zeit war die Regierung sehr überzeugt vom Einsatz chemischer Düngemittel und Pestiziden, was mir auch an der Universität beigebracht worden war.
Der offizielle Fokus lag auf Produktion, Produktion, Produktion und kümmerte sich nicht um die Bodengesundheit, altes Wissen, bewährte Technologien und Praktiken in der traditionellen Art der Landwirtschaft. Aber ich erkannte bald, dass einige sehr erfahrene Bauern nicht diesem neuen System folgten, sondern in ihrer bewährten, erfolgreichen Art bei der traditionellen Landwirtschaft blieben, die umweltfreundlich und viel nachhaltiger war.
Zu dieser Zeit hatte ich die Chance, einen Permakultur Design Kurs von Bill Mollison, dem „Vater der Permakultur" aus Australien, zu besuchen. Wir lernten so viel über diesen ganzheitlich nachhaltigen Ansatz und erkannten die Permakultur als ein alternatives System, das viel besser mit den lokalen Ressourcen, einschließlich sozialer Aspekte, zurechtkommt, als die Methoden mit chemischen Düngemitteln und Pestiziden. Die Begeisterung für die Ideen der Permakultur und die Erkenntnis, dass auch viele Landwirte und Gleichgesinnte davon begeistert waren, brachte uns 1992 zu dem Entschluss, die Nepal Permaculture Group (NPG) zu gründen. Ich bin eines der Gründungsmitglieder und Präsident.
Wie haben Sie die Regierung auf Ihre Seite gebracht?
Wir haben nicht nur die Landwirte unterrichtet, sondern auch versucht, die Regierung zu beeinflussen, da sie für die Politik verantwortlich ist – um ihr zu zeigen, dass Permakultur die bessere Art ist, in Nepal Landwirtschaft zu betreiben. Es war natürlich sehr schwer sie zu überzeugen, da sie den Chemikalien vertrauten. NPG war gegen alle Chemikalien und wollte Alternativen – wie die ökologische Landwirtschaft – in den verschiedenen Teilen der Gesellschaft einführen. Schließlich gründeten wir die NPG ganz offiziell als Verein nach den Regeln der Regierung, um mehr Anerkennung zu bekommen. Dann organisierten wir eine Reihe von Diskussionen mit politischen Entscheidungsträgern auf nationaler Ebene und eine große internationale Konferenz mit Bill Mollison, um den Politikern die Vorteile der Permakultur zu zeigen. In der Folgezeit gaben wir viele Schulungen für Permakultur und ökologische Landwirtschaft und konnten immer mehr Bauern und Fachleute in das System einbinden und davon überzeugen.
Die Tatsache, dass die Gesundheit der Bauern und die ihrer Familien zu dieser Zeit stark abnahm, war ein Augenöffner für die politischen Entscheidungsträger. In einigen Gegenden wie Panchkhal, Kavre, wo schwere Chemikalien, Insektizide und Pestizide verwendet wurden, litten zum Beispiel mehr als 30% der Bewohner an Krebs und man stellte massive Schäden durch Chemikalien in der Umwelt und im Wasser fest. Wir sprachen Beamte, Fachleute und Bauern auf verschiedenen Ebenen an und es war wirklich ein langer Weg. Aber das war es wert!
Die ersten Jahre waren hart, aber nach etwa sieben Jahren begann ein Boom und heute haben wir mehr als 1.100 Mitglieder bei NPG. Die Mitglieder reichen von Fachleuten bis hin zu Bauern und politischen Entscheidungsträgern in Nepal.
In dieser Zeit haben wir auch einen grundlegenden Bio-Standard erarbeitet. Jetzt gibt es ein hochrangiges Komitee, das eine Strategie entwickeln soll, wie Nepal mit einer nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft vorankommen kann. Ich bin Mitglied dieses Komitees. Die Regierung und andere Interessengruppen unternehmen große Anstrengungen im Bereich Bio und Permakultur. Zum Beispiel haben wir die Provinz Karnali im Westen Nepals, die den Status eines Bio-Staates hat. Auch einige Gemeinden/Palikas haben sich selbst zu Bio-Gemeinden erklärt, da sie nur sehr begrenzten Zugang zu Chemikalien haben und deshalb „von Natur aus“ Biolandbau praktizieren. Allerdings fördert unsere Regierung parallel zum Ökolandbau immer noch das konventionelle Landwirtschaftssystem mit hohen finanziellen und anderen Ressourcen.
Bio-Landbau Konferenz in Nepal. Photo @Dr. Prem Thapa
Befasst sich NPG nur mit landwirtschaftlichen Themen oder gibt es auch andere Arten von Transformationszielen?
Dr. Prem Thapa: Nepal ist ein landwirtschaftlich geprägtes Land und auch unsere Gesellschaft basiert darauf. Es gibt eine Reihe von positiven Aspekten in unserer traditionellen Lebensweise, die nachhaltig, umweltfreundlich, fair und sozial sind. Das konventionelle System hingegen ist nur auf die Maximierung der Produktion fokussiert und berücksichtigt weder den lokalen Kontext noch soziale Aspekte.
Bei der Permakultur geht es nicht nur um Landwirtschaft, sondern um ein ganzheitliches Systemdenken, das die ökologische Bewirtschaftung von Land ebenso berücksichtigt wie Ernährungssouveränität, Klimaschutz, die Ethik der ländlichen Gesellschaft oder erneuerbare Energien. Bei der Permakultur geht es um die Gestaltung der positiven Aspekte von drei verschiedenen Systemen: dem natürlichen, dem traditionellen und dem wissenschaftlichen mit einer Reihe von damit verbundenen Prinzipien. Wie in unseren Standards niedergeschrieben, ist unsere Vision eine nachhaltige und selbstbestimmte menschliche Gesellschaft ohne Armut.
Unser Ziel ist es, uns mit gleichgesinnten Organisationen zu vernetzen, Allianzen zu bilden und die Philosophie einer nachhaltigen Zukunft zu verbreiten.
Konnten Sie die Ziele Ihrer Mission und eine Transformation der landwirtschaftlichen Praktiken in diesen fast 30 Jahren Arbeit erreichen?
Wir sind mit unseren Erfolgen zufrieden. Landwirte, Institutionen und die Regierung hören auf uns und fragen nach unserer Expertise in der ökologischen Landwirtschaft – es gibt politische Strategien in diesem Bereich, was wir sehr schätzen. Aber bei der Umsetzung, auf der operativen Ebene, stoßen wir auf einige Herausforderungen. Da gibt es immer noch eine Lücke zwischen Theorie und Praxis. Daran arbeiten wir weiter und werden versuchen, die Probleme in Zukunft zu lösen.
Wir würden uns freuen, wenn wir mehr junge Leute für die Permakultur-Philosophie begeistern könnten. Es ist ein gewisser Trend zu erkennen, zurück aufs Land zu gehen und einen gesünderen Lebensstil zu praktizieren. Das wird auch durch die Pandemie beeinflusst, denke ich. Nicht nur in den ländlichen Gebieten finden wir Anhänger des Permakultur-Designs, auch in den Städten sind die Leute jetzt dafür aufgeschlossen, auf diese Weise in ihren Dachgärten zu gärtnern. Auch die Idee, ein Bio-Geschäft, ein Café, einen Lieferservice etc. zu gründen, ist auf dem Vormarsch.
Wie tief ist die Philosophie der Permakultur mit der Bio-Bewegung und ihren Ideen verbunden?
Bio ist in unserem Verständnis wirklich sehr mit Permakultur verbunden und bei der Gestaltung des Systems ist Bio eine der Hauptkomponenten. Die Bewirtschaftung des Landes ist natürlich ohne jegliche Chemikalien für Boden und Pflanzen.
Im Permakultur-Leitfaden haben wir mehr als 20 verschiedene Prinzipien. Um diese Prinzipien umzusetzen, gibt es eine starke Verbindung zu Bio. Allerdings gibt es für Permakultur keine gesetzlichen Regeln, wie wir sie für die Bio-Standards haben, welche kontrolliert, zertifiziert und auf dem Produkt gekennzeichnet werden können, wenn in einem Land eine "Bio-Gesetzgebung" eingeführt wird. Bei NPG haben wir eine Checkliste für gute landwirtschaftliche Praxis.
Die Bio-Bewegung ist seit mehr als 20 Jahren in Nepal etabliert und es gibt eine nationale Bio-Zertifizierungsstelle und eine Reihe von Bio-Kontrolleuren, mit denen wir auch vernetzt sind.
Die internationale Bio-Bewegung ist aus der Nische herausgewachsen – arbeitet NPG mit Bio-Organisationen (z.B. IFOAM) oder anderen Gruppen (Agrarökologie, Regenerativ) zusammen, um eine globale Ökotransformation anzustreben?
Dr. Prem Thapa: Wir haben sehr starke Verbindungen zur IFOAM, die NPG ist seit ihrer Gründung Mitglied. Im Jahr 2010 haben wir eine internationale Konferenz organisiert, zu der wir auch Vertreter der Organisation eingeladen haben. Auch in den folgenden Jahren gab es immer wieder Diskussionen zwischen den Verbänden und aktuell arbeiten wir gemeinsam an der Gestaltung der nepalesischen Bio-Standards. Wir haben auch ein internationales Netzwerk zur Permakultur, z.B. International Permaculture Convergence (IPC), Permaculture Association Britain (PAB) in Großbritannien und weitere Netzwerke auf der ganzen Welt.
Wir organisieren regelmäßig sogenannte Konversionen zum Austausch und zur Diskussion. Wir sind auch Mitglied in vielen gleichgesinnten Organisationen, weil wir es für sehr wichtig halten, sich zu vernetzen, zusammenzuarbeiten, Wissen auszutauschen und sich gegenseitig zu respektieren, um unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen. Ohne Netzwerk kann man nichts bewegen und nicht viel erreichen.
Dr. Prem Thapa an der Stirnseite des Tisches diskutiert über landwirtschaftliche Themen und Permakultur. Photo @P.Thapa
Glauben Sie, dass die Covid-19-Pandemie für viele Menschen ein Augenöffner in Bezug auf andere heutige Krisen wie Klimawandel, Wasserknappheit und Bodendegradation ist?
Dr. Prem Thapa: Es ist sicherlich ein Augenöffner für viele und die Pandemie zeigt, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als unseren Lebensstil nachhaltiger zu gestalten. Die meisten Jugendlichen sind für eine befristete Anstellung ins Ausland gegangen und die Landwirtschaft im Land wurde vernachlässigt. Nun kehren einige der Jungen zurück und beginnen mit der Landwirtschaft auf professionelle Art und Weise. Wir müssen wirklich handeln und unserem Planeten helfen! Das ist meine Überzeugung.
Über Dr. Prem Bahadur Thapa
Dr. Prem Bahadur Thapa ist Präsident der Nepal Permaculture Group/NPG. Die Organisation ist ein nationales Netzwerk und Dachverband für Permakultur und nachhaltige Landwirtschaft, www.npg.org.np. Dr. Thapa ist auch Vorsitzender des Resource and Change Management/RCM Nepal. Dies ist ein Unternehmen, das sich mit strategischer Planung, Umwelt, Governance, ökologischer Landwirtschaft und der Förderung lokaler Regierungen zur Förderung von Bio-Dünger beschäftigt. Der Experte für Soziologie, Umwelt und Permakultur bezeichnet sich zudem als Aktivist für Permakultur und ökologischen Landbau.
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