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"Wir müssen endlich handeln!"

Aktualisiert: 11. März 2020

„Bio wirkt!“… und schützt unsere Lebensgrundlage Wasser

Das siebte Gespräch der BIOFACH-Interviewserie https://www.biofach.de/de/news/rund-um-die-messe zum Thema beschäftigt sich mit den positiven Effekten von Bio für das Wasser. Auf der BIOFACH 2020, vom 12. – 15. Februar wird es zahlreiche Vorträge und erstmals eine eigene Sonderschau zum Thema Wasser geben, den Treffpunkt „Wasser – gefährdete Grundlage des Lebens?“. English version of the interview https://www.biofach.de/en/news/insights/organic-delivers-water-puzhj75aei_pireport



Wasser ist Grundlage allen Lebens. Als Trinkwasser, Lebensraum für Pflanzen und Tiere und Bestandteil unseres Ökosystems, ist es unentbehrlich. Zudem ist es als Energiequelle, Transportmedium und Rohstoff ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Doch wie gehen wir mit diesem kostbaren Gut um? Wasser wird häufig verschmutzt, gar vergiftet, verschwendet und es ist immer häufiger an vielen Stellen dieser Welt knapp. Für Wasser gibt es keinen Ersatz. Deshalb wird es höchste Zeit, sich um einen effektiven Schutz und die Bewahrung dieser Ressource zu kümmern. Genau dazu fühlen sich seit über vierzig Jahren der Bio-Pionier und Vorsitzende der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser Dr. Franz Ehrnsperger berufen. Ehrnsperger ist überzeugt, dass Öko-Landbau die beste Methode zur Reinhaltung von Wasser ist und er setzt sich dafür an vielen Stellen ein. „Wir müssen endlich handeln“, sagt er.


Interview mit Dr. Franz Ehrnsperger, Vorsitzender der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser und Seniorchef der Neumarkter Lammsbräu


Immer öfter hören wir erschreckende Nachrichten über die Verschmutzung, die Verschwendung und die Knappheit von Wasser. Dabei sollte doch jedem klar sein, dass ohne Wasser kein Leben auf dem Blauen Planeten möglich ist. Herr Dr. Ehrnsperger handelt es sich um Ignoranz oder Unwissenheit im Umgang mit diesem elementaren Baustein des Lebens?


Wir bei Lammsbräu haben aus guten Gründen schon vor über vierzig Jahren begonnen, das Wasser zu schützen. Wasser ist ja nicht nur der wichtigste Rohstoff für das Bier, sondern insgesamt das wichtigste Lebensmittel für Mensch und Tier. Das haben damals viele nicht verstanden, denn für die meisten ist Wasser die selbstverständlichste Sache der Welt. Heute sind wir jedoch an einem Punkt angekommen, an dem das System Natur zu kippen droht und uns dringend dazu aufruft, etwas zu tun.

Doch herrscht leider immer noch viel Ignoranz vor. Zudem spielt auch Unwissenheit eine erstaunlich große Rolle. Vielen ist tatsächlich nicht klar wie die Kreisläufe der Natur funktionieren. Man nimmt die Gaben der Natur einfach entgegen, unter dem Motto, das steht mir doch zu, ich habe keinerlei Verpflichtungen, es ist nicht meine Verantwortung, so die Denkweise vieler. Dabei ist es eine Rücksichtslosigkeit gegenüber der Natur und der Gegenwart, vor allem aber gegenüber der Zukunft sowie unseren Folgegenerationen, wenn wir zum Beispiel in der Landwirtschaft nur auf mehr Ertrag setzen und das Maximum ohne Rücksicht auf die Umwelt von den Feldern holen.


Wie steht es um die Ressource Wasser?


Möchte man den Status Quo unseres wichtigsten Lebensmittels beschreiben, muss man differenzieren. Wir hier in Nordeuropa gehören - rein von der zur Verfügung stehenden Menge - nach wie vor zu den begünstigten Regionen. Doch auch hier gibt es schon massive Beeinträchtigungen des Wassers. Und das betrifft die Qualität: Mehr als ein Drittel des deutschen Grundwassers sind nach offiziellen Untersuchungen schon heute in einem chemisch schlechten Zustand. Auch deshalb hat der Europäische Gerichtshof ein Urteil gefällt, das Deutschland dazu verpflichtet, endlich wirksame Maßnahmen zur Reinhaltung des Grundwassers zu ergreifen. Doch die erste Düngeverordnung war ein Papiertiger. Der neue Gesetzentwurf hat heftige Proteste der Bauern hervorgerufen. Die Bauern trifft letztlich keine Schuld an der Misere, denn sie haben nur das getan, was ihnen von den Landwirtschaftsministern und -verbänden empfohlen wurde und schlicht der hier üblichen Art des Wirtschaftens entsprach. Nur wenige haben dieses perverse System der chemischen Aufrüstung und den dadurch erzeugten Irrweg durchschaut.

Im internationalen Kontext tragen die Industrienationen und ihre in die ganze Welt exportierte Art des Umgangs mit der Natur mehrfach Schuld: Zum einen mit dem großen Anteil am Klimawandel, der im globalen Süden zu Versteppung und Wüstenbildung führt. Zum anderem haben wir oft stabile, den lokalen Verhältnissen angepasste Strukturen, der Lebensmittelerzeugung zerstört. Das hat zu massiver Landflucht und zur Destabilisierung der politischen Systeme geführt. Doch am Ende stehen die globalen Katastrophen von heute. Dabei geht es einfach nur darum, die Natur zu unterstützen und nicht gegen sie zu arbeiten. Wir können den Zugang zu sauberem Wasser auch im globalen Süden mit natürlichen Methoden schaffen, Initiativen wie SEKEM in Ägypten zeigen das anschaulich.



Sie haben in zwei Schwarzbüchern den Zustand unseres Grund- und Trinkwassers untersucht. Was gefährdet unser wichtigstes Lebensmittel am meisten?


Durch diese Zusammenschau und die Betrachtung der Gesamt- zusammenhänge in den Schwarzbüchern zum Zustand von Grund- und Trinkwasser wird ganz deutlich, welch negative Einflüsse die industrialisierte Landwirtschaft mit Massentierhaltung und Biogas-Anlagen hat. Es ist erschreckend, in wieviel Prozent der Wasservorkommen man laut amtlichen Daten bereits Giftstoffe wie Nitrat, Pestizidmetabolite und Medikamentenrückstände findet. Zudem werden unsere Böden mit viel zu viel chemischen Stoffen, Gülle und Gärresten kaputt gemacht. Und auch hier gibt es einen ganz engen Zusammenhang zum Wasser. Der Boden verliert, erstens, sein Infiltrations- und Wasserhaltevermögen sowie seine Reinigungsfähigkeit. Gute, humusreiche Böden können ohne weiteres 30 - 40 Liter Regen pro Stunde aufnehmen, bis zu 150 Liter sind bei gesunden Böden möglich. Ein langjährig industriell angebauter Mais-Acker hingegen schafft kaum mehr als 20 Liter. Das kostbare Wasser fließt oberflächlich ab, es erzeugt Erosion und Hochwasser.

Ebenso essentiell ist, zweitens, das Wasserhaltevermögen. Pro 1 % Humus kann ein Boden bis zu 400 m3 Wasser pro Hektar speichern – das ist eine ganze Menge. Eine Trockenperiode von 3 - 4 Wochen macht diesen Böden nichts aus. Das haben unsere Bio-Bauern in den trockenen Sommern des letzten Jahrzehnts bewiesen – sie haben gute Ernten eingebracht.

Die dritte wichtige Funktion eines guten Bodens ist die Reinigungsfähigkeit. Denn alles Wasser, was in den Boden eindringt, wird durch Bodenlebewesen gereinigt. In toten Böden ist dies nicht möglich. Die vierte wichtige Funktion ist die Zuführung zum Grundwasser. Wasser, das nicht in die Böden eindringt ist für die Wasservorräte verloren. In gesunden Böden wird das Grundwasser kontinuierlich aufgefüllt und erlaubt uns, Wasser auch wieder zu entnehmen, ohne dass der Grundwasserspiegel gefährlich absinkt. So entsteht ein nachhaltiger Kreislauf: Gesunder Boden - Pflanze - Wasser ist gleich gesunder Mensch. Deshalb ist es so zentral, unsere Böden biologisch zu pflegen. In den Richtlinien für Bio-Mineralwasser haben wir schon vor 12 Jahren festgelegt, dass jeder Bio-Mineralwasser-Hersteller eine Funktion als Wasser- und Klimabauer erfüllen muss.


Sie und Ihr Unternehmen haben es sich seit über vier Jahrzehnten zur Aufgabe gemacht, Wasser zu schützen und rein zu erhalten, ist es doch der wichtigste Rohstoff für Ihre Produkte. Welches waren die wichtigsten Maßnahmen?


Uns bei Lammsbräu war schon 1980 klar, dass neben einem schonenden Umgang mit den Quellen und der Vermeidung von Abwässern der Öko-Landbau der beste Schutz für Böden und Wasser ist. Heute sind wir stolz, dass wir hier in der Oberpfalz und in Mittelfranken rund 6.000 ha Flächen haben, die seit über 30 Jahren frei von Chemie-Einsatz sind. Das ist ein enormer Beitrag zum Wasserschutz. Derselbe Gedanke, langfristiger Wasserschutz durch Förderung des Ökolandbaus und den nachhaltigen Schutz der Quellen, ist auch zentral für das Bio-Mineralwasser-Konzept, das wir und unsere Mitstreiter von der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser voranbringen. Das Ziel der darin organisierten Mineralbrunnen ist deshalb 100 % Öko-Landbau. Wir sind mittlerweile im Konsens mit der Politik, was die Richtung angeht. Die Bundesregierung hat 20 % Öko-Landbau für 2030 ausgerufen, Bayern und Baden-Württemberg sind schon bei 30 %. Man sieht, dass endlich etwas in Bewegung kommt.


Der Öko-Landbau spielt die zentrale Rolle. Gibt es dafür Beweise?


Auch hier lohnt ein Blick in die Schwarzbücher der Qualitätsgemeinschaft: Durch die Umstellung auf Ökolandbau haben sich zum Beispiel in Österreich die Wasservorkommen in den entsprechenden Gebieten erholt. Metastudien wie die neue Untersuchung des Thuenen-Instituts in Zusammenarbeit mit einer Reihe von Universitäten zeigen dasselbe. Der direkte Zusammenhang zwischen Nitrat- und Pestizidausbringung auf die Wasserqualität und Vorräte unbelasteten Wassers ist unbestritten. Wenn man Agrochemie auf die Felder kippt, findet man über kurz oder lang Rückstände von systemischen Pestiziden, chemischen Düngern, Gülle oder Medikamenten in den Wasservorkommen. Alles hängt mit allem zusammen. Das einzige, was hilft, ist den Stoffeintrag von oben zu stoppen.  Es ist allerhöchste Zeit zum Umsteuern!


Wie lautet die Zukunftsvision Ihrer Wasserschutz-Strategie? Brauchen wir eine Wasserwende und mehr Öko-Landbau?


Keine Frage, wir brauchen 100 % Öko-Landbau, das ist unsere Vision. Damit haben wir die Kontrolle über die Qualität der Böden und die Sicherheit vor der Vergiftung unseres Wassers. Deutlich ist allerdings auch, dass die konventionellen Bauern in der Sackgasse stecken und wir ihnen helfen müssen, einen Weg heraus zu finden. Regenerative Landwirtschaft macht den langsamen Wiederaufbau der Böden möglich und schafft eine Perspektive für die Bauern, die erleben können, dass Bodenbearbeitung und natürliche Methoden mittelfristig die Ressource Boden tatsächlich revitalisieren können. Es ist für alle Beteiligten sehr schön zu beobachten, wie die Natur sich selbständig regeneriert, wenn wir sie nicht kaputt machen. Das sind echte Aha-Erlebnisse und manche Bauern können das kaum glauben. Wenn man beispielsweise nach Indien schaut und sieht wie zügig sich die Entwicklung zu 100 % Öko-Landbau in einigen Bundesstaaten vollzieht, dann macht das zum einen Mut und Hoffnung, zum anderen entsteht die Frage, warum das nicht auch bei uns möglich ist.

Wir müssen endlich anfangen, unsere Zukunftsaufgaben zu erfüllen und unsere Verantwortung wahrzunehmen. Stellen sie sich vor, 1 % Humusaufbau pro Hektar durch Öko-Landbau kann zusätzlich 40 - 60 Tonnen CO2 binden. Neben Aufforstung haben wir so einen unglaublich effektiven Hebel und einen maßgeblichen Beitrag zur Entlastung des Klimas.


Der Zugang zu sauberem Wasser ist ein Menschenrecht. Wie können wir das in Zukunft leisten?


Weil Wasser das wichtigste Lebensmittel ist, gehört es selbstverständlich auch zu unseren Aufgaben, im globalen Süden unsere Verantwortung zu übernehmen. Die positive Wirkung von mehr Öko-Landbau in dieser Hinsicht habe ich bereits angesprochen. Dazu muss aber auch Hilfe vor Ort kommen: Speziell Nichtregierungsorganisationen wie beispielsweise Viva con Aqua leisten dort eine großartige Arbeit und sind in jeder Hinsicht unterstützenswert. Neben Brunnenbau ist die Hilfe zur Selbsthilfe zum Aufbau ökologischer Strukturen in der lokalen Landwirtschaft sinnvoll sowie Schulungen zum Umgang mit Abwasser.  Prognosen des Potsdam Institut für Klimaforschung zufolge, würde das Nichteinhalten der 1,5°-Marke verheerende Folgen haben, unter anderem ein Leben in der Subsahara-Zone unmöglich machen. Zusammen mit den Klimaflüchtlingen wegen der ansteigenden Meeresspiegel würde das eine nie dagewesene Völkerwanderung auslösen. Gerade in diesen Ländern zählt wirklich jeder Tropfen und wir müssen so schnell wie möglich solidarisch unserer Verantwortung gerecht werden.


Das Interview führte Karin Heinze, BiO Reporter International.


Vita Dr. Franz Ehrnsperger, Vorsitzender der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser e.V. und Seniorchef der Neumarkter Lammsbräu

Geboren 1946 in Neumarkt.

Ausbildung: Diplom-Braumeister und Diplom-Kaufmann.

Ab 1971 übernimmt er die Geschäftsführung des Familienunternehmens und führt Neumarkter Lammsbräu in 6. Familiengeneration.

Bereits 1977 definierte er Umweltschutz als Unternehmensziel und verfolgte dieses Ziel mit leidenschaftlicher Konsequenz, stellte die Brauerei komplett auf ein nachhaltiges Unternehmenskonzept und auf 100% Bio um.

Seit 1995 werden bei der Neumarkter Lammsbräu ausschließlich Bio-Getränke hergestellt, darunter mit BioKristall das erste zertifizierte Bio-Mineralwasser.

Dr. Ehrnsperger brachte eine Erzeugergemeinschaft für ökologische Braurohstoffe auf den Weg, der heute mehr als 160 Bio-Bauern angehören.

Er ist Vorsitzender der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser e.V. und wurde mehrfach für sein herausragendes Engagement ausgezeichnet – unter anderem war er „Öko-Manager des Jahres“ und Träger des Deutschen Umweltpreises.

2018 übernahm sein Sohn Johannes in 7. Familiengeneration die Geschäftsführung der Neumarkter Lammsbräu.

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