Die dreitägige digitale Konferenz brachte eine unglaubliche Vielzahl an interessanten Ansätzen und Beispiele aus aller Welt zu der Frage, wie die vor fünf Jahren beschlossenen globalen UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) umgesetzt werden können. Ein Überblick. Die aufgezeichneten Präsentationen und Beiträge sind in der Mediathek des World Organic Forum abrufbar.
Rudolf Bühler, Initiator des World Organic Forum, begrüßt die internationalen Teilnehmer der Online Tagung.
In seiner Begrüßungsrede betont Rudolf Bühler: "Es geht um nichts weniger als um unsere Zukunft und die unseres Planeten." In den fünf Jahren seit der Unterzeichnung der UN-Nachhaltigkeitsziele sei auf der Ebene der Regierungen noch längst nicht genug passiert und man hinke der Erfüllung der SDGs hinterher. In manchen Regionen jedoch gebe es beeindruckende Beispiele für eine hervorragende Umsetzung. „Diese Vorzeigeregionen müssen voranschreiten und als sichtbare Zeichen und Beispiele wirken“, so Bühler.
Lokale Ebene viel stärker in den Fokus nehmen
Ministerialdirigent Dr. Ingolf Dietrich, Beauftragter für nachhaltige Entwicklungsziele, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung stellte den Stand der Dinge vor. Er hob die historische Leistung der Verabschiedung der 17 SDGs durch praktisch alle Nationen der Welt hervor. „Leave no one behind“ sei das Motto auch in der Umsetzung der Ziele bis 2030. Als Fortschritt bezeichnete er die Tatsache, dass die Armutszahlen (vor Corona) gesunken seien, gab aber auch zu, dass man insgesamt mit der Umsetzung hinterherhinke und zudem weitere Probleme - Klimakrise, Hunger etc. - gelöst werden müssten. Vielfach fehle es am politischen Willen zur Umsetzung. Aus seiner Sicht müsse die lokale Ebene viel stärker in den Fokus genommen werden, denn 2/3 der SDGs ließen sich auf diesem Level umsetzen.
Umsetzungslücken schließen - Bei der Bildung ansetzen
Sophia Bachmann, UN Jugenddelegierte für Nachhaltige Entwicklung, führte aus an welchen Stellen ihrer Auffassung nach Umsetzungslücken bei den SDGs sind, sie forderte vor allem einen kulturellen Wandel, neue nachhaltige Modelle, soziale Innovation, interdisziplinäres denken und arbeiten insbesondere auch mehr Bildung für nachhaltige Entwicklung (Aufklärung 2.0) und Solidarität mit der jungen Generation.
Professor Ernst Ulrich Weizsäcker setzte sich ebenfalls für eine Aufklärung 2.0 ein. Er lobte die Initiativen der jungen Generation - „ohne Greta hätte es wahrscheinlich keinen Green Deal der EU gegeben“. Gleichzeitig rügte er die Politik, dass sie der Jugend nicht genügend zuhöre und die Zielvorgaben noch zu wenig ambitioniert seien. Als effektive Werkzeuge für die Umsetzung schlug er „True Cost Accounting“ und eine „Koalition der Willigen“ vor.
Best Practice aus Asien, Indien, Ägypten und Brasilien
Prof. Zejiang Zhou (China), Präsident IFOAM Asia und Gründer ALGOA berichtete von sehr erfolgreichen Initiativen und Projekten in Südostasien. Hierbei spielt der ökologische Landbau eine große Rolle und Lokalregierungen fördern ihn. ALGOA ist die Abkürzung für Asian Local Governments for Organic Agriculture (registriert in Südkorea). Das Netzwerk wächst seit seiner Gründung im Jahr 2013 und kann eine sehr erfolgreiche Arbeit auf regionaler Ebene vorweisen. Die Bauern ganzer Gemeinden stellen auf ökologische Bewirtschaftung um und werden dabei tatkräftig von den lokalen Regierungen unterstützt. Die Summits gehen mittlerweile auch über die Grenzen Asiens hinaus und bilden auch hier Allianzen. Die Umsetzung der SDGs ist in den Umsetzungsplänen immer auch mitgedacht.
Die Förderung von SDGs in ländlichen Gebieten Südindiens war das Thema von Father Bijo Thomas, dem Direktor der Wayanad Social Service Society (WSSS). Die unglaublich vielseitige Arbeit der Community basiert auf vier Grundzügen: Nachhaltigem Leben, Umweltnachhaltigkeit, Bildung von nachhaltigen Institutionen und Bildung und allgemeinen Wohlergehen für die Gemeinschaft. Oberstes Ziel ist die Reduktion von Armut und die Weiterentwicklung der "Ur-Einwohner".
Das Modell SEKEM in Ägypten
Das Wunder in der Wüste ist als Vorzeigebeispiel oft beschrieben worden, doch lohnt es sich immer wieder, es zu betrachten, denn es entwickelt sich weiter. In den nächsten Jahrzehnten steht die "Economy of Love" und das Voranbringen des Öko-Landbau bis zu 100% im Fokus der Gemeinschaft, berichtete Helmy Abouleish, Sohn des Gründers Ibrahim Abouleish, Vorsitzender & Geschäftsführer von SEKEM. Er führte überzeugend aus, dass die Zukunft der Landwirtschaft in Äqypten ökologisch sein muss, weil sich diese Wirtschaftsweise als besser für alle und alles herausgestellt hat. Er sei zuversichtlich, 100% Öko-Landbau sei möglich.
Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in Brasilien
Am Beispiel der "Bauernuniversität" im Bundesstaat Rio Grande do Sul (Süden Brasiliens), zeigte Prof. Dr. Antonio Andrioli, Vizepräsident der Universität Federal da Fronteira Sul, beispielhaft auf, wie nachhaltige landwirtschaftliche Entwicklung aussehen kann und wie das Wissen von Kleinbauern und Indigenen in eine zukunftsorientierte und ökologische Landbewirtschaftung einbezogen werden kann.
Beispiele machten die erfolgreiche Kooperation ganz konkret: Jeder kann vom Wissen anderer profitieren, die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist wichtig.
Umsetzung der SDGs in der Region Hohenlohe durch fairen Handel
Nach den virtuellen Reisen in alle Welt, kehrten die Teilnehmer der World Organic Forum in die Region Hohenlohe zurück, die als regelrechte Keimzelle vielseitiger Transformations-ansätze und erfolgreicher Umsetzung der SDGs bezeichnet werden kann. Gaby Bystricky, Inhaberin des FairKaufLädchens in Bächlingen und Heide Öchslen, Vorsitzende Nachhaltige Entwicklung SDGs e. V., und Eine Welt-Regionalpromotorin, zeigten das Anhand der Fair Trade Bewegung generell und auch an konkreten Beispielen aus der Region auf.
Agrarökologie fördert Öko-Transformation und Umsetzung der SDGs
Agrarökologie ist in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit längst kein Fremdwort mehr und wird in vielen Ländern des globalen Südens mittlerweile in vielen Projekten gefördert. Das zeigten verschiedene Beiträge auf, u.a. von Vertretern der FAO, GIZ oder MISEREOR.
Agrarökologie wird als probate Lösung vieler Probleme und zur Erfüllung einer Reihe von SDGs geschätzt. Das erläuterte beispielsweise Emma Siliprandi, Landwirtschaftliche Referentin, Abteilung Pflanzenproduktion und –schutz (NSP), Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Sie berichtete von Projekten aus verschiedenen Erdteilen, in denen die Initiative "Scaling up Agroecology" erfolgreich angekommen ist. Der ganzheitliche Ansatz, der über die reine Landwirtschaft hinausgeht, spielt eine große Rolle dabei.
Umsetzung des Weltagrarberichtes und die SDGs: Wo stehen wir mit der Transformation des Ernährungssystems?
Prof. Dr. Hans R. Herren, Präsident des Millennium Institute, Washington, Gründer und Präsident Biovision Stiftung, Zürich zog am dritten Tag des World Organic Forum Bilanz. Seine Kernbotschaft: "Ein weiter so ist unmöglich. Er bedarf eines radikalen Umbaus unseres Ernährungssystems." Dies ist nur möglich in einem partizipatorischen, demokratischen Prozess, der die Vielfalt aller beteiligten Gruppen einbezieht, die am Prozess der Ernährungssicherung beteiligt sind. Um die Klima-Krise und den Biodiversitätsverlust zu stabilisieren, muss eine Transformation des heutigen agrarindustriellen Systems in ein ganzheitliches agrarökologisches System erfolgen, so Herrens Forderung.
Prof. Herren machte auch sehr deutlich, welche Faktoren der Umsetzung der Transformation im Wege stehen. Mit einer Grafik von IPES Food veranschaulichte er das. Um den Prozess der Transformation zu befördern, müssten diese Hemmschuhe aufgelöst und z.T. ins Gegenteil verkehrt werden. Keine kleine Herausforderung, aber dringend notwendig.
Kommentar von Karin Heinze, BiO Reporter International
Alles in allem waren die drei Tage des digitalen World Organic Forum eine Schatzkiste voller inspirierender Beiträge und Ideen, voller ermutigender Beispiele wie eine Transformation hin zu einer zukunftsfähigen, enkeltauglichen, fairen, ganzheitlichen und vielfältigen Landwirtschaft aussehen kann. Überdeutlich wurde der dringende Handlungsbedarf aufgezeigt und die ökologischen Lösungen präsentiert, die an vielen Stellen auf dieser Welt bereits erfolgreich praktiziert werden und auf die auch manche große staatliche und übernationale Organisationen setzen, vor allem aber auch NGOs. Die Mamut-Aufgabe in den nächsten Jahren, bis 2030, die 17 Nachhaltigkeitsziele umzusetzen, kann nur gemeinsam, interdisziplinär und mit konsequenter Anstrengung auf allen Ebenen in die Realität umgesetzt werden. Mit Teilerfolgen sollten sich die Verantwortlichen nicht mehr zufrieden geben. Und, verantwortlich für die Erhaltung unseres Planeten ist schließlich jeder einzelne von uns. Zwar kann jeder Einzelne seinen kleinen Beitrag leisten, doch braucht es die grundlegende Erkenntnis der "Weltenlenker", dass die Lösung unserer weltumspannenden, die Welt und Menschheit bedrohenden Krisen, nur in einer gemeinsamen, solidarischen, interdisziplinären und ökologisch geleiteten Anstrengung gelöst werden kann. Come on! Los geht's, packen wir es an! Das waren auch die Worte die Initiators des 4. World Organic Forums, Rudolf Bühler. er will auf lokaler Ebene weiterentwickeln und die Welt dabei nicht aus dem Blick verlieren. Denn alles hängt mit allem zusammen.
Alle Bilder im Artikel sind Screenshots während der Tagung. Dank an die Veranstalter.
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